Die DGHO Jahrestagung 2023 – einer der wichtigsten Kongresse für Onkologie im deutschsprachigen Raum, mit mehr als 5.500 nationalen und internationalen Expert*innen aus Wissenschaft und Medizin.
Die Kongress-Highlights
Von Expert*innen für Expert*innen: Im ersten Videointerview stellt Prof. Dr. Michael Thomas die aktuellen Innovationen in der Immuntherapie rund ums Mirkobiom vor, beleuchtet den Status quo der Systemtherapien beim NSCLC und gibt Ausblicke auf den ESMO 2023.
Dr. Norbert Schleucher befasst sich im zweiten Interview mit innovativen Immuntherapien und gibt im Anschluss Einblicke in die Liquid Biopsie im klinischen Alltag bei der NSCLC-Therapie. Seien Sie gespannt auf überraschende Daten!
Prof. Dr. Michael Thomas:
1. Entwicklung der Immuntherapie und die Rolle des Mikrobioms (ab 0:00)
2. Neue Konzepte bei der Immuntherapie des NSCLC (ab 4:29)
3. Ausblick zum ESMO 2023(ab 8:23)
Dr. Norbert Schleucher:
1. Die Rolle des Mikrobioms bei der Immuntherapie(ab 0:00)
2. Die Liquid Biopsy in der Onkologie(ab 2:20)
3. Neue Daten beim NSCLC(ab 5:24)
Interessante Veranstaltungen im Überblick
Die wichtigsten Veranstaltungen der DGHO-Jahrestagung 2023 zu den Themen NSCLC und Immunonkologie haben wir hier für Sie kurz und knapp zusammengefasst.
Im ersten Vortrag der Plenarsitzung widmete sich Prof. Haanen der Entwicklung der Immunonkologie. Beginnend mit dem Taget-Molekül CTLA-4 (cytotoxic T-lymphocyte-associated Protein 4) revolutionierte die Immuntherapie die Behandlung von Krebspatient:innen. Anti-CTLA-4 führt hoch effektiv zu einer Depletion der regulatorischen T-Zellen (Treg) und konnte bei einem Teil der Patient:innen mit fortgeschrittenem Melanom ein Langzeitüberleben erreichen. Die neue Therapieoption geht jedoch auch mit neuen unerwünschten Ereignissen (UE) einher, wie beispielsweise Uveitis und Hypophysitis, die ein besonderes Nebenwirkungsmanagement erfordern (Ribas et al. NEJM 2012, Du et al. Cell Res 2018, Maker et al. Ann Surg Oncol 2005, Schadendorf et al. J Clin Oncol 2015).
1991 wurden die Immun-Checkpoints PD-1 (Programmed cell death protein 1) und PD-L1 (Programmed Cell Death 1 Ligand 1) entdeckt. PD-L1 co-lokalisiert mit tumorinfiltrierenden T-Zellen (TIL), welche notwendig für die Wirksamkeit von anti-PD-L1 sind (Tumeh et al., Nature 2014). Verschiedene Studien zeigten, dass je höher die Tumormutationslast der Tumorzellen ist, desto wirksamer sind immunologische Therapien (Rizvi et al. Science 2015, Yarchoan et al. NEJM 2017). Insgesamt bietet die Immun-Checkpoint-Blockade eine breite Anti-Tumor-Aktivität, was sich auch in den FDA-Zulassungen für über 40 Entitäten widerspiegelt. Die CHECKMATE-067-Studie konnte zeigen, dass die Kombination aus CTLA4- und PD-1-Blockade den besten klinischen Outcome in Patient:innen mit fortgeschrittenem Melanom erreichen konnte, jedoch zum Preis einer höheren Toxizität: Bei 58,5 % der Patient:innen trat unter der Kombination ein UE Grad 3–4 auf (Wolchok et al. J Clin Oncol 2022, Larkin et al. NEJM 2015).
Die vielversprechenden Ergebnisse führten zu Studien, die den Einsatz der Immuntherapie in früheren Linien untersuchen: Bei resektablen Patient:innen beim fortgeschrittenen Melanom war das Event-freie Überleben länger mit neoadjuvanter plus adjuvanter Checkpoint-Blockade im Vergleich zum alleinigen adjuvanten Einsatz (Patel et al. NEJM 2023). Im Rahmen der NICHE-Studie erreichten 67 % der Patient:innen mit fortgeschrittenem Kolonkarzinom mit Mikrosatelliteninstabilität eine komplette und 95 % eine major pathologische Response mit neoadjuvanter Immuntherapie (Chalab et al. ESMO 2022).
Neben der Checkpoint-Blockade stellen die CAR (Chimeric Antigen Receptor)-T- und TCR (T-cell receptor)-T-Zelltherapie sowie TILs einen vielversprechenden Ansatz dar, wobei auch bei soliden Tumoren das Interesse an Zelltherapien wächst, bisher jedoch ohne Zulassungen. Derzeit sind die Daten für TILs am überzeugendsten. So erreichten TILs beim nicht-resezierbaren Melanom eine 6-Monats-progressionsfreies Überleben (PFS) -Rate von 52,7 % im Vergleich zu 21,4 % mit Checkpoint-Inhibitor (Rohaan et al. NEJM 2022). Eine Herausforderung bei TIL ist die Toxizität und Aktivität von IL-2 (Interleukin-2) auf andere Zelltypen. Einen möglichen Lösungsansatz stellt die Entwicklung von Immunzytokinen dar, die selektiv die Expansion der Zielzelle induzieren. Als ideales Target für CAR-T-Zellen, speziell in soliden Tumoren, bietet sich Claudin-6 an. Es ist in gesunden Geweben nicht vorhanden, wird aber in Tumoren verschiedener Entitäten exprimiert (Reinhard et al. Science 2020). Zelltherapien für solide Tumoren könnten mehr als ein Antigen als Target sowie die Kombination mit weiteren Therapien erfordern.
Im zweiten Vortrag beleuchtete Prof. van den Brink die Rolle des Darmmikrobioms in der Krebsimmuntherapie. Das Darmmikrobiom wird als Teil eines Supraorganismus betrachtet und beeinflusst Physiologie und Krankheit (Zhao et al. Nat Rev Micro 2013). Eine Dysbiose des Darmmikrobioms wurde als entscheidender Faktor für die Wirksamkeit und Toxizität von CAR-T-Zelltherapie, Checkpoint-Blockade und allogener Transplantation identifiziert.
Veränderungen im Darmmikrobiom sowie die Gabe von Breitspektrumantibiotika während allogener Stammzelltransplantation korrelieren mit dem Gesamtüberleben (OS) sowie Graft-versus-host Erkrankung (GVHD): Der Verlust der Diversität ist mit schlechterem OS und letaler GVHD assoziiert, wobei kommensale anaerobe Bakterien (wie Blautia) schützend sind, während eine Dominanz von Enterococcus sowie der Einsatz von Antibiotika mit GVHD assoziiert sind (Shono et al. Sci Transl Med 2016).
Ursächlich für den Einfluss des Darmmikrobioms auf die Wirksamkeit der Immuntherapien ist unter anderem der Gallensäure-Stoffwechsel. Bakterien wandeln primäre in sekundäre Gallensäure (SBA) um, die die Anzahl von TH17-Zellen verringern, Tregs dagegen erhöhen können. SBA können als funktionaler Farnesoid-X-Rezeptor (FXR)-Antagonist fungieren. Während FXR-Inhibitoren die T-Zell-Proliferation reduzieren, wird sie von FXR-Agonisten erhöht. So ist UDCA (Ursodesoxycholsäure), eine SBA, als FXR-Inhibitor mit einer geringeren GVHD-bezogenen Mortalität assoziiert.
Das Darmmikrobiom korreliert mit dem Ansprechen und der Toxizität nach anti-CD19-CAR-T-Zelltherapie. Antibiotika vor CAR-T-Zellinfusion sind mit einem verringerten OS und PFS verbunden. Die Mikrobiom-Signatur könnte einen möglichen Marker für das Ansprechen auf eine CAR-T-Zelltherapie darstellen.
Referenten: Prof. John B. Haanen (Amsterdam, NL), Prof. Marcel van den Brink (New York, US)
CAR – Chimeric Antigen Receptor; CTLA-4 – cytotoxic T-lymphocyte-associated Protein 4; FXR – Farnesoid-X-Rezeptor; GVHD – Graft-versus-host Erkrankung; IL-2 – Interleukin-2; OS – Gesamtüberleben; PD-L1 – Programmed Cell Death 1 Ligand 1; PFS – Progressionsfreies Überleben; SBA – sekundäre Gallensäure; Treg – regulatorische T-Zelle; TCR – T-Zellrezeptor; UDCA – Ursodesoxycholsäure; UE – unerwünschte Ereignisse
MAT-DE-2304698 V1.0 10/2023
Dr. Simon Joosse beleuchtete im ersten Vortrag des Symposiums das Potential der Liquid Biopsy bei soliden Tumoren. Neben Blut können zahlreiche Körperflüssigkeiten als Quelle für relevante Informationen über den Tumor dienen, um die Krebsbehandlung zu personalisieren. Als Marker dienen u. a. Zellen, die sich vom Tumor lösen und so zu zirkulierenden Tumorzellen (CTC) werden. Die meisten CTC untergehen Apoptose und werden so zur Quelle von zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA). Tumorzellen sezernieren aber auch aktiv DNA in die Zirkulation. Weitere Marker stellen Proteine, extrazelluläre Vesikel, miRNAs (microRNAs) und Immunzellen dar. Die Liquid Biopsy ist einfach und minimal invasiv und ermöglicht wiederholte Entnahmen.
Das Fallbeispiel einer Patientin mit bilateralen choroidalen Metastasen verdeutlicht das Potential der Liquid Biopsy bei Krebserkrankungen mit unbekanntem Primärtumor (Cancer of unknown primary, CUP). Diese Metastasen werden in 30 % der Fälle vor dem Primärtumor diagnostiziert. Bei der Patientin konnte mithilfe der Liquid Biopsy eine Epidermal Growth Factor Receptor (EGFR) -Mutation detektiert und anschließend ein Lungenkarzinom diagnostiziert und erfolgreich behandelt werden.
CTCs sind jedoch selten, weshalb verschiedene Techniken zur Anreicherung zum Einsatz kommen. Sie haben eine prognostische Relevanz und sind mit einer ungünstigen Prognose bei Krebs im Frühstadium assoziiert. Zudem können sie das Monitoring des Therapieeffekts unterstützen, wobei ein Rückgang der CTC auf ein Ansprechen hindeutet, während eine Zunahme bei Progress beobachtet werden kann. Als Beispiel für die klinische Relevanz der CTC führte Dr. Joosse die noch nicht publizierten Daten der PREDICT-Studie mit über 4.000 Brustkrebs-Patientinnen an. Sie zeigt, dass Patientinnen ohne CTC an Baseline das beste Gesamtüberleben (OS) erreichten. Je mehr CTC zu Beginn vorhanden waren, desto kürzer war das OS. Die Veränderung des CTC-Status über die Zeit korrelierte ebenfalls mit dem OS.
Neben den CTC stellt vor allem die ctDNA bzw. die zellfreie Tumor-DNA (cfDNA) einen wichtigen Biomarker in der Liquid Biopsy dar. So konnte für zellfreie HPV (Humanes Papillomvirus)-DNA als Biomarker für oropharyngeale Karzinome eine Sensitivität von 81 % und eine Spezifität von 98 % gezeigt werden (Wang et al. Sci Transpl Med 2015). In der DYNAMIC-Studie konnte ein ctDNA-geführtes Management beim kolorektalen Karzinom, Stadium II, den Einsatz der adjuvanten Chemotherapie reduzieren, ohne das Recurrence-freie Überleben zu beeinträchtigen. Ein weiteres Anwendungsbeispiel ist die dynamische BRCA1 (Breast cancer type 1 susceptibility protein)-Methylierung beim Ovarialkarzinom, die beim Rezidiv häufig verloren geht und als Ursache für Therapieresistenz diskutiert wird. Mithilfe der Liquid Biopsy konnte der Methylierungsstatus über die Zeit verfolgt werden, wobei die BRCA1-Methylierung der ctDNA mit dem Überleben der Patientinnen korrelierte.
Als Herausforderung nennt Dr. Joosse die Implementation der Liquid Biopsy in die klinische Praxis. Derzeit ist die Erstattungsfähigkeit in Deutschland sehr begrenzt. Zudem wird eine Standardisierung benötigt, womit sich in Europa zwei Konsortien, can.heal und die European Liquid Biopsy Society (ELBS), befassen.
Die beiden weiteren Vorträge befassten sich mit der Liquid Biopsy bei malignen hämatologischen Erkrankungen. Prof. Christiane Pott widmete sich der Klassifikation von Lymphomen. Hier stellt die ctDNA einen prognostischen Faktor bei DLBCL (Diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom), MCL (Mantelzell-Lymphom), FL (Follikuläres Lymphom) und MM (Multiples Myelom) dar und korreliert mit der Tumormasse und der Proliferation. Die Liquid Biopsy ermöglicht die Identifikation von Patient:innen mit hohem Rezidivrisiko und die präzise Beurteilung des Therapieansprechens. Prof. van Dongen referierte über das Potential der Liquid Biopsy für die Detektion von minimaler Resterkrankung (MRD). Aufgrund der Anwendung zur Stratifizierung sowie Modifikation der Therapie muss die MRD den Anforderungen an Companion Diagnostics genügen. Mit der dafür notwendigen Standardisierung und Validierung in Europa befasst sich die European Scientific foundation for Laboratory Hemato Oncology (ESLHO).
Referent*innen: Simon Joosse (Hamburg, DE), Prof. Christiane Pott (Kiel, DE), Prof. Jaques van Dongen (Leiden, NL)
BRCA1 – Breast cancer type 1 susceptibility protein; CTC – zirkulierende Tumorzellen; CUP – Cancer of unknown primary; cfDNA – zellfreie Tumor-DNA; ctDNA – zirkulierende Tumor-DNA; DLBCL – Diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom; EGFR – Epidermal Growth Factor Receptor; ELBS – European Liquid Biopsy Society; ESLHO – European Scientific foundation for Laboratory Hemato Oncology; FL – Follikuläres Lymphom; HPV – Humanes Papillomvirus; miRNA – microRNA; MM – Multiples Myelom; OS – Gesamtüberleben
MAT-DE-2304698 V1.0 10/2023
Im ersten Vortrag beschäftigte sich Prof. Martin Reck mit der Bedeutung früher, effektiver Screenings für die Mortalität von Lungenkrebs. Studien, die die Effektivität von Low-Dose-Computertomografie (CT) untersuchen sind NLST (NLST Research Team, Aberle et al., 2011), LUSI (Becker et al., 2015) und NELSON (de Koning et al., 2020). Letztere zeigt eine um 24 % gesunkene Mortalität bei Männern und 33 % bei Frauen. Probleme bei der Umsetzung sind z. B. die Erreichbarkeit und Definition von Risikopopulationen, falschpositive Befunde sowie die rechtliche Regelung. Die HANSE-Studie sieht eine ganzheitliche Implementierung eines interdisziplinären Programms vor. 12100 Teilnehmer:innen (high-risk und low-risk) erhielten innerhalb eines Jahres zwei Screening Runden mit einem Follow-up nach 5 und 10 Jahren. Es wurden 64 Lungenkarzinome entdeckt. Es gibt eine klare Evidenz für das Lungenkrebsscreening mit Low-Dose-CT.
Im zweiten Vortrag referierte Prof. Frank Griesinger über neoadjuvante Chemo-Immuntherapie (Chemo-IO) und die verbesserten Heilungsraten durch systemische Therapie. Wie die S1801-Studie (Patel S. et al., N Engl J Med 2023) zeigt, ist die neoadjuvante Therapie mit drei Zyklen Pembrolizumab der adjuvanten Therapie im ereignisfreien Überleben (EFS) überlegen (Hazard Ratio (HR) 0,58). Die Studie CheckMate 816 (Forde et al. Abstract 840, ELCC 2023) zeigt beim EFS ein HR von 0,68 zugunsten der neoadjuvanten Nivolumab-Chemotherapie (CTx)-Kombination (vs. CTx allein). In der Studie AEGEAN wurde die neoadjuvante Gabe von Durvalumab + Platinchemotherapie sowie die adjuvante Gabe von Durvalumab verglichen mit Placebo + Platinchemotherapie vor der OP und Placebo allein nach der OP. Es zeigte sich ein deutlich überlegenes pathologisches Ansprechen des neoadjuvanten Arms (Heymach et al., Abstract CT005 AACR 2023). Weitere Belege für die Bedeutung der neoadjuvanten Therapie liefern die Studien Neotorch (Shun Lu et al., ASCO 2023) und KEYNOTE-671 (Wakelee et al., ASCO 2023). Tumorboard und präzises präoperatives Staging vorausgesetzt ist Aim 4 Cure als neuer Standard in den frühen Stadien II und III anzusehen. Die Daten von Wakelee zeigen einen potenziellen Benefit der adjuvanten Immuncheckpoint-Inhibition (ICI).
Dr. Florian Eichhorn stellte im dritten Vortrag die Auswirkungen der neoadjuvanten Chemo-IO auf die Thoraxchirurgie vor. Die Studie CheckMate 816 zeigt einen Benefit für die neoadjuvante Behandlung des resezierbaren nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) mit Programmed Cell Death 1 Ligand 1 (PD-L1) -Expression ≥1%. Die Auswirkung von CTx + IO auf die Thoraxchirurgie sind somit „neue“ Selektionskriterien wie z.B. PD-L1 und molekulare Diagnostik und perspektivisch weitere Indikationserweiterungen. Von besonderer Bedeutung sind perioperative immunvermittelte Nebenwirkungen (z. B. Thyroiditis, Dermatitis) und Anforderungen an die Operabilität (Sepesi et al., J Thorac Cardiovascular Surg 2022, Bott et al., J Thorac Cardiovasc Surg 2019). Insgesamt werden Therapiewahl, Betreuung und Nachsorge noch interdisziplinärer.
Prof. Martin Schuler diskutierte im vierten Vortrag adjuvante Therapien und ihre Integration in neue Behandlungsparadigmen. Die Studie CheckMate 238 konnte zeigen, dass bei postoperativer cytotoxic T-lymphocyte-associated Protein 4 (CTLA-4) - oder PD-1-Blockade bei malignen kutanen Melanomen Nivolumab Ipilimumab eindeutig überlegen ist (Ascierto et al., Lancet Oncol 2020). Beim klarzelligen Nierenzellkarzinom ist die postoperative PD-1-Blockade mit Pembrolizumab gegenüber Placebo vorteilhaft (KEYNOTE-564). Die PACIFIC-Studie belegt den Benefit von Durvalumab durch die PD-1-Blockade nach Chemotherapie nicht-kleinzelliger Lungenkarzinome im Stadium III. Den Vorteil der postoperativen PD-1-Blockade durch Atezolizumab bei NSCLC zeigt die IMpower-010-Studie: Bei PD-L1-Expression ≥ 50 % ist der HR 0,43. Auch Pembrolizumab zeigt in dieser Situation gute Ergebnisse. Bei PD-L1 0-100% ist für das krankheitsfreie Überleben (DFS) die HR 0,76, bei PD-L1 ≥ 50% ist die HR 0,82 (PEARLS/KEYNOTE-901; Lancet Oncol 2022). Die IMMUNED-Studie zeigt den Benefit der additiven Immuncheckpoint-Hemmung nach Ablation aller sichtbaren Tumorherde im Stadium IV. Die Kombination Nivolumab + Ipilimumab ist hier Placebo deutlich überlegen, beim relapse-free survivial (RFS) ist die HR 0,23 (Zimmer et al., Lancet 2020).
Referenten: Prof. Martin Reck (Großhansdorf, DE), Prof. Frank Griesinger (Oldenburg, DE), Dr. Florian Eichhorn (Heidelberg, DE), Prof. Martin Schuler (Essen, DE)
CTLA-4 – cytotoxic T-lymphocyte-associated Protein 4; CT – Computertomografie; CTx – Chemotherapie; DFS – krankheitsfreies Überleben; EFS – ereignisfreies Überleben; HR – Hazard Ratio; ICI – Immuncheckpoint-Inhibitor/ Immuncheckpoint-Inhibition; IO – Immuntherapie; NSCLC – nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom; RFS – relapse-free survivial
MAT-DE-2304787 V1.0 10/2023
Bevor sich Prof. Claudia Haferlach dem Potential von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Hämatologie widmete, stellte sie wichtige Aspekte zum erfolgreichen Einsatz heraus: Das Ziel, das mit KI erreicht werden soll, muss klar definiert werden, bevor die entsprechenden Modelle mit interdisziplinären Expert:innen entwickelt, getestet und validiert werden. Zudem ist die Definition eines Goldstandards wichtig, gegen den sich das KI-Modell behaupten muss. Einen guten Einblick gibt ein Übersichtsartikel des DGHO-Arbeitskreises „Künstliche Intelligenz“ (Rösler et al. J Cancer Res Clin Oncol 2023). Anwendungsgebiete der KI in der Hämatologie sind Diagnostik, Prognose, Therapie-Planung und -Überwachung sowie die Automatisierung von administrativen Prozessen. So kann die KI-basierte Automatisierung der Karyotypisierung die Turnaround-Zeit deutlich reduzieren und bietet so einen echten Vorteil für Patient:innen. In der BELUGA-Studie konnte KI eine Konkordanz von 94 % für maligne/kritische Zellen anhand der Zytomorphologie erreichen. Die Herausforderung, Informationen zu genetischen Varianten aus diversen Quellen zu interpretieren, adressiert die KI-basierte Anwendung HePPy (hematological (meta) predictor of pathogenicity). Mit einer Genauigkeit von 98,3 % kann ein Modell Myeloproliferative Neoplasien (MPN) anhand des Mutationsprofils klassifizieren. Wichtig für einen erfolgreichen Einsatz von KI in der Medizin sind gut annotierte Datensätze für die Entwicklung von Modellen und die Validierung sowie die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Um Vertrauen in die KI in der Medizin zu entwickeln, ist es wichtig, Standard- und KI-Modelle zunächst parallel anzuwenden.
Der Fokus des zweiten Vortrags von Prof. Jakob Kather lag auf den soliden Tumoren. Hier gibt es bereits mehrere Zulassungen von KI-basierten Modellen für das Darmkrebsscreening sowie in der Radiologie. Ein Modell zum Mammographie-Screening geht aktuell in Phase II zur Untersuchung des Überlebens (Lang et al. Lancet Oncology 2023). Auch in der Pathologie sind bereits KI-basierte Modelle zugelassen, beispielsweise zur Quantifizierung der Immunhistochemie. Weitere Beispiele sind die Prädiktion von Mikrosatelliteninstabilität oder des Ansprechens auf Immuntherapien (Zeng et al. Journal of Hepatology 2022; Wagner et al. Cancer Cell, 2023). Zu bedenken ist, dass alle zugelassenen Modelle bereits veraltet sind, da sie zunächst jahrelang Studien durchlaufen und KI sich rasant weiterentwickelt. Neben den Modellen zur Bildverarbeitung werden auch Large Language Models (Textverarbeitung) einen großen Einfluss in der Medizin haben. Anwendungsgebiete sind hier beispielsweise die Strukturierung von unstrukturierten Textdaten sowie die statistische Auswertung von Rohdaten. Mittlerweile stehen auch multimodale KIs zur Verfügung, die sowohl Text- als auch Bilddaten verarbeiten (z.B. ChatGPT-4) und so beispielsweise Radiologie-Befunde zusammen mit klinischen Parametern auswerten können.
Im letzten Vortrag des Symposiums gab Dr. Johannes Uhlig einen Einblick in die Anwendung von KI in der Radiologie. Der Anstieg von stationären Computertomografie (CT)-Untersuchungen um 80 % (Stand 2022) führt zu einer Überlastung des Personals, die mit diagnostischen Fehlern korreliert. So kommt es in den USA bei 5 % der Patient:innen zu einem diagnostischen Fehler (Balogh et al. 2015; Kim et Mansfield 2014). KI kann hier entlasten und zur Qualitätssicherung beitragen. Bereits validierte Modelle existieren für das Calcium-Scoring und die Segmentation der Koronarien sowie für die KI-gestützte Evaluation von Röntgen-Thorax-Aufnahmen. Da hier für verschiedene Fragestellungen, wie beispielsweise Triage oder die Detektion von kritischen Pathologien, unterschiedliche KI-Modelle erforderlich sind, muss das Ziel klar definiert sein. Bei Nierentumoren, die ein breites morphologisches Spektrum aufweisen, kann KI bei der Unterscheidung histologischer Subtypen unterstützen. Allerdings stoßen die Modelle genau da an ihre Grenzen, die ebenfalls für Radiolog:innen besonders herausfordernd sind (Uhlig et al. Medicine 2020; Uhlig et al. Cancers 2020). Herausforderungen des Einsatzes der KI bestehen in ethischen Fragen, der Nachvollziehbarkeit der Modellierungen durch KI, die Integration in bestehende klinische Systeme sowie die Akzeptanz der Mediziner:innen und Patient:innen.
Referent*innen: Prof. Claudia Haferlach (München, DE), Prof. Jakob N. Kather (Dresden, DE), Dr. Johannes Uhlig (Göttingen, DE)
CT – Computertomografie; KI – Künstliche Intelligenz; MPN - Myeloproliferative Neoplasie
MAT-DE-2304787 V1.0 10/2023
MAT-DE-2304214 V2.0 10/2023