Newsletter Juli 2017
Information ist ein wertvolles Gut, Zeit ein knappes. Um das eine nicht auf zu hohe Kosten des anderen zu erlangen, muss das Merkmal der Relevanz im Vordergrund stehen.
Im Zuge der Entwicklung dieses Newsletters stand daher auch im Mittelpunkt, wie die Frage „Warum noch ein Newsletter?“ beantwortet werden würde. Die Antwort liegt in der Absicht, dem Bedürfnis nach gezielten, präzisen und übersichtlichen Informationen aus Forschung und Praxis im Bereich der autologen Stammzelltransplantation in einem unaufdringlichen Turnus nachzukommen. Aktualität und Relevanz haben dabei Priorität.
Zusammengestellt werden diese Informationen für Sie von federführenden Experten in diesem Gebiet, die wir Ihnen nachfolgend kurz vorstellen möchten.
Prof. Dr. Nina Worel arbeitet und forscht an der Medizinischen Universität Wien. Ihre Spezialgebiete sind Transfusionsmedizin, Transplantationsmedizin und Blutgruppenserologie. Sie ist Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin (ÖGBT) und der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI).
Prof. Dr. Peter Dreger lehrt und wirkt als Oberarzt und Leiter der Sektion Stammzelltransplantation an der Klinik Innere Medizin V am Universitätsklinikum Heidelberg. Er ist Panel Member der Lymphoma Working Party der European Society for Blood and Marrow Transplantation (EBMT) und Vorstandsmitglied der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Knochenmark und Blutstammzelltransplantation (DAG-KBT) sowie Mitglied der Editorial Boards von Haematologica, Bone Marrow Transplantation und Journal of Oncology.
Prof. Dr. Nicolaus Kröger ist Klinikdirektor der Interdisziplinären Klinik und Poliklinik für Stammzelltransplantation am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Er ist Vorsitzender der DAG-KBT und Chairman der Chronic Malignancies Working Party und des Scientific Council der EBMT und in Beratergremien der European Hematology Association (EHA) und European School of Hematology (ESH) sowie Editorial Board Member bei Blood, Haematologica und Bone Marrow Transplantation.
Vom 23. bis zum 26. März dieses Jahres fand in Marseille, Frankreich, der 43. Kongress der European Society for Blood and Marrow Transplantation (EBMT) statt. Das Redaktionsboard des Newsletters Autologe Stammzelltransplantation hat für Sie einige besonders interessante Inhalte des EBMT 2017 ausgewählt, die wir Ihnen in dieser Ausgabe in Form von Abstracts vorstellen und in den Kontext der entsprechenden Expertenkommentare stellen möchten.
Dazu gehören beispielsweise jüngere Ergebnisse der EBMT Lymphoma Working Party zu HIV-assoziierten Lymphomen und ASCT, aktuelle Daten aus der CALM-Studie und die Stammzellmobilisierung mit Plerixafor.
HIV-assoziierte Lymphome und ASCT in der Rituximab-Ära: eine retrospektive Analyse zu Indikationen, Ergebnissen und Risikofaktoren der EBMT Lymphoma Working Party
Hübel K et al. Oral presentation: 43rd Annual Meeting of the EBMT Marseille (France), March 26–29, 2017, Session 17: Lymphoma
Der Fortschritt im Bereich der kombinierten antiretroviralen
Therapie (cART) während der letzten Jahrzehnte hat
die Prognose für Patienten mit HIV-assoziierten Lymphomen
erheblich verbessert. Dennoch entwickeln bis zu
50 % dieser Patienten ein Rezidiv und sind potenzielle
Kandidaten für eine ASCT. Für die Identifizierung tatsächlich
infrage kommender Patienten fehlten bislang verlässliche
Daten. In dieser retrospektiven Studie wurde
untersucht, ob die Durchführung einer ASCT bei Patienten
mit HIV-assoziierten Lymphomen erfolgreich war und
welche Risikofaktoren für ein schlechtes Behandlungsergebnis
bestehen.
Die Einschlusskriterien umfassten neben der EBMT-Registrierung
u. a. ein Mindestalter von 18 Jahren, einen
HIV-positiven Serostatus und eine erste ASCT im Zeitraum
von 2007 bis 2013. Insgesamt wurden 138 Patienten von
25 verschiedenen europäischen Zentren in die Studie
eingeschlossen. Weitere Patientendaten sind in Tab. 1
dargestellt. Primäre Endpunkte waren progressionsfreies
Überleben (PFS) und Gesamtüberleben (OS) nach 2
Jahren. Die mediane Follow-up-Phase betrug 4 Jahre.
Als Teil der First-Line-Therapie wurde die ASCT bei 26 % der Patienten mit Burkitt-Lymphom (BL), bei 48 % der Patienten mit diffusem großzelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL), bei 26 % der Patienten mit plasmoblastischem Lymphom (PBL) und bei keinem Patienten mit Hodgkin- Lymphom (HL) durchgeführt. Das 2-Jahres-OS nach ASCT betrug über alle Gruppen hinweg 70 % (Median). Auffällig ist, dass der Großteil der registrierten Ereignisse bereits innerhalb der ersten 12 Monate nach der Transplantation auftrat. Über diesen Zeitpunkt hinaus zeigten sich stabile Zahlen für das OS. Das 2-Jahres-PFS betrug 68 % (Median). Wie viele Patienten diesen primären Endpunkt erreichten, war vom Erkrankungsstatus zum Zeitpunkt der ASCT abhängig: Patienten mit schlechterem Status als partieller Remission (PR): 23 %, Patienten mit PR: 64 %, Patienten mit vollständiger Remission (CR) nach der First-Line-Behandlung: 91 %, Patienten mit späterer CR: 80 %. Auch die Art des Lymphoms spielte für das 2-Jahres-PFS eine Rolle: 85 % der Patienten mit BL, 60% der Patienten mit DLBCL, 61 % der Patienten mit PBL und 86 % der Patienten mit HL blieben über 2 Jahre progressionsfrei. Durch eine multivariate Analyse zeigte sich, dass die Diagnose DLBCL oder PBL (vs. HL), eine höhere Anzahl an Chemotherapiezyklen und ein schlechterer Status als partielle Remission zum Zeitpunkt der ASCT signifikante Prädiktoren für einen schlechten PFS-Verlauf waren. Interessanterweise hatte u. a. die CD4+-Zellzahl in diesem Zusammenhang keinen signifikanten Einfluss.
FAZIT
Die Behandlungsergebnisse infolge einer ASCT in der Therapie HIV-assoziierter Lymphome werden hauptsächlich durch lymphomabhängige Risikofaktoren beeinflusst. Die Merkmale der HIV-Infektion spielen im Vergleich hierzu eine untergeordnete Rolle. Unter Beibehaltung der cART ist die ASCT die bevorzugte Behandlungsmethode für HIV-positive Patienten mit rezidivierenden DLBCL, PBL oder HL. Die Entscheidung über eine Anwendung der ASCT sollte anhand derselben Kriterien getroffen werden wie bei HIV-negativen Patienten.
Kommentar von Prof. Dr. Peter Dreger
Die autologe Stammzelltransplantation
stellt auch in der Rituximab-Ära ein Standardverfahren
in der Rezidivtherapie aggressiver
Lymphome einschließlich des
Hodgkin-Lymphoms dar. Ob dies auch für
HIV-assoziierte Lymphome zutrifft, war bisher unklar. Zwar
belegten ältere EBMT-Studien die prinzipielle Durchführbarkeit
der autologen Stammzelltransplantation bei Patienten
mit HIV-assoziierten Lymphomen, jedoch stammten
diese Daten aus Zeiten, in denen Rituximab noch kein
Routinebestandteil der Primär- bzw. Rezidivtherapie war,
und auch die HIV-Therapie noch nicht den heutigen Standards
entsprach.
Vor diesem Hintergrund liefert die von Hübel präsentierte
Registerstudie der EBMT Lymphoma Working Party
wichtige Erkenntnisse. Anhand der weltweit bisher größten
Fallzahl zeigt sie, dass die Ergebnisse der autologen
Transplantation bei Patienten mit HIV-Infektion unter den
modernen Kautelen nicht schlechter sind als bei HIV-negativen
Patienten, auch wenn die Non-Relapse-Mortality
mit 9% nach 2 Jahren höher ist, als für HIV-negative Patienten
zu erwarten wäre. Besonders bemerkenswert ist
das gute progressionsfreie Überleben von Patienten mit
plasmoblastischem Lymphom (61% nach 2 Jahren), welches
die Bedeutung der frühen Konsolidierung mit der
autologen Stammzelltransplantation bei dieser ansonsten
prognostisch sehr ungünstigen HIV-assoziierten Lymphoentität
nachdrücklich unterstreicht.
Stammzellmobilisierung mit Plerixafor: Rechtfertigt der therapeutische Effekt die Kosten?
Artikel basierend auf folgenden Beiträgen des 43rd Annual Meeting of the EBMT Marseille (France), March 26–29, 2017: Wäsch R et al. Poster presentation A116, Mohty M et al. Oral presentation, Session 1: HSC and stem cell mobilization, Kamdar M et al. Poster presentation A091, Berger K et al. Poster presentation A105
Hochdosis-Chemotherapie und Stammzelltransplantation
sind in verschiedenen Bereichen maligner hämatologischer
Erkrankungen zur Standardtherapie geworden.
Ca. 10–25 % der Patienten erreichen jedoch bei der Mobilisierung
die für eine ASCT benötigte Menge an Stammzellen
nicht. In diesen Fällen kann Plerixafor die Mobilisierung
verbessern, verursacht jedoch auch zusätzliche
Kosten. Ob der therapeutische Effekt die Zusatzkosten
rechtfertigt, wird kontrovers diskutiert.
Wäsch et al. verglichen den Mobilisierungserfolg bei
schlecht mobilisierenden Patienten mit multiplem Myelom
(MM) oder Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) aus der
Prä-Plerixafor-Ära (N = 100) mit später behandelten Patienten,
die Plerixafor erhielten (N = 50). Der Einsatz von
Plerixafor verbesserte die Mobilisierung signifikant und
führte durch höhere CD34+-Ausgangswerte pro μl zu
einer signifikant höheren Aphereseausbeute. Der Anteil
der Patienten, bei dem bereits in der 1. Apherese ausreichend
Zellen gesammelt werden konnte, stieg mit Plerixafor
von zuvor 11 % auf 38 %. Dadurch konnten auch
mehr Patienten erfolgreich transplantiert werden (90 %
im Vergleich zu 58 % vor Plerixafor).
Kamdar et al. von der University of Colorado änderten im April 2015 ihr Konzept zum Einsatz von Plerixafor: Es erhielten
alle Patienten mit CD34+-Werten von < 30 x 106 Zellen/
l an Tag 4 nach G-CSF- Mobilisierung zusätzlich Plerixafor
(vorher bei < 10 x 106 Zellen/l). Sie verglichen die
Ergebnisse von Patienten, die unter dem alten bzw. dem
neuen Regime behandelt wurden (alt: N = 77; 26 mit Lymphom,
51 mit plasmazellulärer Neoplasie (PCN); neu: N =
54, 20 mit Lymphom, 34 mit PCN). Mit dem veränderten
Konzept verringerten sich die benötigten Apheresetage,
während sich die Stammzellausbeute gleichzeitig erhöhte.
Der erweiterte Einsatz von Plerixafor führte also bei geringerem
Zeitaufwand für das medizinische Personal und
Patient zu besseren Aphereseergebnissen und damit zu
einer optimierten Ressourcennutzung.
Es bleibt die Frage nach den Kosten. Mohty et al. untersuchten
Zeit und Aufwand, um Patienten erfolgreich für
eine ASCT vorzubereiten anhand der Apheresedauer
und der durch das Krankenhaus pro Patient aufgewendeten
Kosten. Verglichen wurden schlecht mobilisierende
NHL-Patienten vor (N = 124) und nach der Einführung
von Plerixafor (N = 134) aus verschiedenen europäischen
Zentren. Mit Plerixafor war die Apheresedauer für Patienten
kürzer (350 vs. 463 Minuten). Außerdem war die
Zellausbeute nach der 1. Apherese höher, was zu einer
durchschnittlich geringeren Anzahl benötigter Apherese-
Sitzungen führte (2,2 vs. 1,6). Die Apheresekosten pro
Patient verringerten sich hierdurch von 6.212 auf 4.457
Euro. In dieser Studie konnten durch die Anwendung
von Plerixafor bei Patienten, die schlecht mobilisieren,
sowohl der für die Behandlung benötigte Zeitaufwand
als auch die Kosten der Stammzellsammlung reduziert
werden.
Einen theoretischen Ansatz wählten Berger et al. Mithilfe
eines Kosten-Analyse-Modells simulierten sie die durch
den Einsatz von Plerixafor für eine deutsche bzw. italienische
Krankenkasse zusätzlich anfallenden Kosten. Neben
den Zusatzkosten ergaben sich in diesem Modell Einsparungen
durch einen höheren Anteil erfolgreich durchgeführter
Mobilisierungen und dadurch weniger benötigte
Apheresen bzw. Re-Mobilisierungen, so dass die jährliche
Mehrbelastung für die deutsche Krankenkasse 2.113
(5,7 %), für die italienische 2.630 Euro (5,8 %) betrug. In
dieser Simulation führte der Einsatz von Plerixafor also zu
besseren Behandlungsergebnissen bei minimal erhöhten
Kosten für die Krankenkassen. Nicht berücksichtigt in der Analyse sind außerdem Rückerstattungsvereinbarungen
der Krankenhäuser mit dem Hersteller sowie der mutmaßlich
positive Effekt der besseren Behandlungsergebnisse
auf die Lebensqualität der Patienten.
Kommentar von Prof. Dr. Nina Worel
Seit der Marktzulassung von Plerixafor 2008 wurde eine Vielzahl von Studien durchgeführt mit dem Ziel, die Effizienz von Plerixafor sowie den kostenökonomischen Aspekt zu untersuchen. Im Gegensatz zu den USA ist Plerixafor in Europa für „schlecht mobilisierende“ Lymphom- und Myelompatienten zugelassen. Es ist belegt, dass der rechtzeitige Einsatz von Plerixafor zum Zeitpunkt der schlechten Mobilisierung die Stammzellausbeute steigert und kostensparender als der Einsatz in der Re-Mobilisierung ist. Zudem können dadurch mehr Patienten transplantiert werden. Dies konnte auch von Wäsch et al. belegt werden. Was als schlechte Mobilisierung gilt, ist bis dato nicht eindeutig definiert. Zumeist wird ein Wert von < 10 bis < 20 CD34+ Zellen/μl angegeben. Kamdar konnte zeigen, dass sein Ansatz mit < 30 CD34+ Zellen/μl als Schwelle für den Einsatz von Plerixafor zu einer optimierten Ressourcennutzung führt wobei die Kosten in dieser Arbeit nicht diskutiert werden. Der Kostenfrage wird in den Präsentationen von Mohty et al. und Berger et al. nachgegangen. Mohty zeigt eine Kostenreduktion der Stammzellsammlung durch Plerixafor (weniger und kürzere Apheresen) im Vergleich zur Ära vor Plerixafor bei schlecht mobilisierenden Lymphompatienten, wobei die Medikamentenkosten nicht berücksichtigt wurden. Berger et al. untersuchten den Einfluss auf Krankenkassen und zeigen, dass Plerixafor trotz Ressourcenoptimierung zu einer 5,7%igen jährlichen Mehrbelastung führt. Die Apheresekosten (inkl. Bearbeitung der Zellen) sind in verschiedenen europäischen Ländern unterschiedlich hoch, zumeist aber deutlich geringer als die Kosten von Plerixafor. Von Kosteneinsparung kann man wahrscheinlich erst dann reden, wenn zumindest 2 Apheresen weniger benötigt werden. Ein wichtiger Punkt ist aber auch, dass durch den Einsatz von Plerixafor ausgewählten Patienten eine autologe Transplantation ermöglicht werden kann, die ansonsten für diese Standardbehandlung nicht infrage kämen. Um einen effektiven Einsatz von Plerixafor zu gewährleisten, ist es unabdingbar, entsprechende Algorithmen zu entwickeln. Dadurch können unnötige Kosten (weniger Re-Mobilisierungen durch rechtzeitigen Einsatz von Plerixafor) verhindert und die Behandlungsqualität der Patienten verbessert werden.
Die Inzidenz sekundär auftretender maligner Primärtumore (SPM) bei Patienten mit multiplem Myelom (MM): Daten aus der CALM-Studie
Sahebi F et al. Poster presentation: 43rd Annual Meeting of the EBMT Marseille (France), March 26–29, 2017, Poster B384
Die modernen Therapieoptionen beim MM führen zu
immer besseren Behandlungsergebnissen und damit zu
höheren Lebenserwartungen bei Patienten. Das Auftreten
von Spätkomplikationen, insbesondere von SPM,
kann den Therapieverlauf jedoch erheblich beeinflussen.
Das vornehmliche Ziel dieser Analyse war, die kumulative
Inzidenz von SPM bei MM-Patienten aus der
CALM-Studie zu dokumentieren. Darüber hinaus sollten
mögliche Einflussgrößen auf die Entstehung von SPM
identifiziert und die Überlebensrate infolge des Auftretens
von SPM bestimmt werden.
Insgesamt wurden 3.375 MM-Patienten, die eine erste
ASCT erhielten, in die Untersuchung eingeschlossen und
über einen Zeitraum von 58,6 Monaten (Median) nachbeobachtet.
Von 141 registrierten SPM handelte es sich
bei 99 um solide, bei 31 um hämatologische Subtypen.
Zu den übrigen 11 Fällen liegen keine Angaben vor. Die
kumulative SPM-Inzidenz betrug 4,4 % (95 % KI: 3,6–5,2)
nach 60 Monaten und 5,4 % nach 72 Monaten (95 % KI:
3,3–6,5). Die Zeit bis zur Entstehung eines SPM betrug 33
Monate (Median), 75 % der registrierten Fälle traten innerhalb
der ersten 50 Monate auf.
Die SPM-Inzidenz stand in keinem Zusammenhang mit
den folgenden Variablen: Art der Induktionstherapie,
Geschlecht, Bestrahlung / keine Bestrahlung vor der
ASCT, transplantierte CD34+-Zellzahl, Status als schlechter
Mobilisierer, Einsatz / kein Einsatz von Plerixafor. Der
einzige Faktor mit einem signifikanten Einfluss auf die
SPM-Inzidenz war höheres Lebensalter (Abb. 1). Das Gesamtüberleben
betrug nach 5 Jahren 38 %.
FAZIT
Die aus den Daten der CALM-Studie errechnete SPM-Inzidenz bei MM-Patienten ist mit 5,4 % nach 72 Monaten vergleichbar mit den in der Literatur zu findenden Zahlen. Als einzige Einflussgröße auf die Entstehung von SPM konnte ein fortgeschrittenes Lebensalter identifiziert werden. Vorrangiges Ziel sollte es daher sein, die individuell relevanten Risikofaktoren zu bestimmen und die immer älter werdenden MM-Patienten entsprechenden Präventivstrategien zuzuführen.
Kommentar von Prof. Dr. Nicolaus Kröger
Sekundär auftretende Tumore nach intensiver Chemotherapie, insbesondere nach autologer Stammzelltransplantation, sind eine ernste Spätkomplikation. Während zu malignen Lymphomen, die kurativ mit autologer Stammzelltransplantation behandelt wurden, Daten aus größeren Fallserien vorliegen, ist die Inzidenz nach autologer Transplantation bei multiplem Myelom (MM) bisher nur in wenigen Arbeiten untersucht worden. Sekundär auftretende Primärtumore (SPM) rücken insbesondere nach der Erhaltungstherapie mit Lenalidomid zunehmend in den klinischen Fokus. Dies ist auch für die autologe Stammzelltransplantation relevant, da die Patienten jetzt durch die meist anschießende Konsolidierungs- und Erhaltungstherapie deutlich länger leben. Die auf dem EBMT vorgestellte Arbeit mit über 3000 MM-Patienten, die eine autologe Stammzelltransplantation erhalten hatten, zeigt, dass die Inzidenz mit ca. 5 % nach 6 Jahren nicht exzessiv erhöht war, zumal der einzige signifikante Einfluss das höhere Lebensalter gewesen ist. Eine überproportionale Häufigkeit entweder von soliden oder hämatologischen Neoplasien konnte ebenfalls nicht detektiert werden. Trotzdem zeigt diese wichtige Arbeit, dass sekundär auftretende maligne Primärtumore nach autologer Transplantation bei Patienten mit multiplem Myelom keine Seltenheit sind, und dass diese Patienten hinsichtlich ihres Risikos bei den Kontrolluntersuchungen in der Nachsorge berücksichtigt werden sollten.
ASCT als Therapieoption bei multipler Sklerose (MS): Aktuelle Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit aus England und Australien
Artikel basierend auf folgenden Beiträgen des 43rd Annual Meeting of the EBMT Marseille (France), March 26–29, 2017: Rhone E et al. Poster presentations B362 & B387, Moore J et al. Oral presentation, Session 6: Autoimmune diseases and solid tumors
Trotz der Verfügbarkeit krankheitsmodifizierender Therapien
(DMTs) benötigt ein Teil der MS-Patienten alternative
Therapieformen. Insbesondere Patienten mit aggressiven
Formen leiden unter kontinuierlichen Progressionsschüben
bzw. Rückfällen, die häufig mit einem fortschreitenden
Behinderungsgrad assoziiert sind. Mit der ASCT
steht eine Therapieoption zur Verfügung, deren Einsatz
bei aggressiven MS-Formen bereits weltweit getestet
wird. Im Fokus dieser Untersuchungen stehen die Wirksamkeit
und Sicherheit sowie die mit der ASCT verbundenen
Risiken für MS-Patienten. Neue Daten hierzu präsentierten
nun Rhone et al. sowie Moore et al. auf dem
Jahrestreffen der EBMT.
Moore et al. untersuchten die Sicherheit und Wirksamkeit
der ASCT bei MS-Patienten anhand von EDSS-Scores,
MRT-Untersuchungen sowie verschiedener Merkmale
zur Lebensqualität (MSQOL). Insgesamt 33 Patienten mit
schubförmiger (RR-MS) oder sekundär progredienter MS
(SP-MS) wurden in die Untersuchung eingeschlossen. Die
Behandlung wurde insgesamt gut vertragen. Die transplantationsassoziierte
Mortalität lag bei 0 %, die rückfallfreie
Überlebensrate nach 1 Jahr bei 86 %. Infektionsbedingte
Komplikationen traten bei 3 der 33 Patienten auf.
Der EDSS-Score verbesserte sich insgesamt von 6,0 (Median,
vor ASCT) auf 5,00 (Median, 6 Monate nach ASCT)
bzw. 5,25 (Median, 12 Monate nach ASCT; Abb. 3). Eine
Subgruppenanalyse zeigte, dass der EDSS-Score lediglich
in der RR-MS-Gruppe nicht aber in der SP-MS-Gruppe
signifikant verbessert war. Die MSQOL-Komponente zur
körperlichen Gesundheit verbesserte sich in beiden
Gruppen signifikant, die Komponente zur psychischen
Gesundheit nur in der RR-MS-Kohorte.
Die Ergebnisse zeigen, dass die ASCT sowohl den krankheitsbedingten
Behinderungsgrad als auch die Lebensqualität
schwer vorbehandelter MS-Patienten verbessern
kann. Insbesondere RR-MS-Patienten scheinen von
dieser Behandlung zu profitierten.
Während Rhone et al. vergleichbare Ergebnisse bezüglich
der Wirksamkeit mit Verbesserungen aber auch Verschlechterungen
der individuellen EDSS-Scores präsentierten,
zeigte sich hier vor allem im Bereich der Sicherheit
ein anderes Ergebnis als bei Moore et al. Während sowohl
die Konditionierung als auch die Zellinfusion gut
vertragen wurden, ergaben sich in der neutropenischen
Phase hohe Raten infektiöser Komplikationen. Bei 23 von
30 behandelten Patienten wurde eine Infektion festgestellt.
Insbesondere eine Virus-Reaktivierung bei Infektion
mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) wurde häufig beobachtet
(21 Patienten).
Zur Häufigkeit der EBV-Reaktivierung nach ASCT bei
MS-Patienten führten Rhone et al. daher eine gesonderte
Untersuchung durch. Von 26 Patienten, die vor der
ASCT EBV-positiv waren, wurden 20 (76,9 %) 24 Tage (Median,
27–91 Tage) nach der Transplantation erneut positiv
getestet. Die Maximalwerte der EBV-DNA-Titer wurden
40 Tage (Median, 7–101 Tage) nach ASCT erreicht. Zwei
der Patienten erlitten eine symptomatische Reaktivierung.
Bei einem dieser Patienten zeigten sich neurologische
Symptome ähnlich denen bei einem MS-Schub.
Die Analyse zeigt, dass EBV-Reaktivierungen bei MS-Patienten
innerhalb von 3 Monaten nach ASCT keine Seltenheit
sind. Dabei kann es zu erheblichen neurologischen
Symptomen kommen, die leicht mit einem MS-Schub zu
verswechseln sind. Ein entsprechendes Monitoring sowie
das Inbetrachtziehen einer Präventivtherapie sollten bei
EBV-positiven MS-Patienten, die einer ASCT unterzogen
werden, Routine werden.
Kommentar von Prof. Dr. Nicolaus Kröger
Die autologe Stammzelltransplantation
bei Autoimmunerkrankungen wird
insgesamt kontrovers diskutiert. Die
meisten Erfahrungen im Europäischen
Register für Stammzelltransplantation
(EBMT) liegen für die multiple Sklerose (MS) vor. Multiple
Sklerose ist die häufigste Autoimmunerkrankung des
zentralen Nervensystems, welche hauptsächlich jüngere
Erwachsene befällt und die aufgrund chronischer
Inflammation zu zunehmender Neurodegeneration und
zunehmender körperlicher Behinderung führt. Die Prävalenz
in Deutschland beträgt ungefähr 200.000 Fälle.
Man vermutet, dass neben einer genetischen Komponente
autoreaktive T- und B-Zellen eine wichtige Rolle in
der Pathogenese spielen.
Die auf dem EBMT vorgestellten Beiträge unterstützen die
Wirksamkeit der autologen Transplantation insbesondere
beim sogenannten Relapsing-Remitting(RR)-Verlauf.
Kürzlich publizierte Langzeitdaten zeigen eindrucksvoll,
dass nach 5 Jahren die Hälfte der Patienten noch frei
von neurologischer Progression war (Muraro, JAMA Neurology
2017). In einer kleineren prospektiven Phase-II-Studie
lag das klinische Relapse-free-Survival nach 5 Jahren
sogar bei 86,9 % der MS-Patienten mit RR-Verlauf. Leider
wird diese Therapieform nur in Ausnahmefällen von den
Kostenträgern erstattet. Die Ergebnisse einer laufenden
randomisierten Studie, die voraussichtlich Anfang 2018
vorliegen werden, werden daher mit Spannung erwartet.
Mozobil 20 mg/ml Injektionslösung. Wirkstoff: Plerixafor. Zusammens.: Arzneil. wirks. Bestandt.: Jede Durchstechfl. enth. 24 mg Plerixafor in 1,2 ml Lösung. Sonst. Bestandt.: NaCl, Salzsäure 36% u. Na-hydroxid (pH-Einstellung), Wasser f. Inj.-zw. Anw.-geb.: Verbesserung d. Mobilisierung v. hämatopoet. Stammzellen (in Komb. mit G-CSF) i. d. periphere Blut z. Entnahme u. anschl. autologen Transplantation b. erwachs. Pat. mit Lymphom u. multiplem Myelom, d. nicht ausreichend Stammzellen mobilisieren. Gegenanz.: Überempfdlk. ggü. d. Wirkstoff od. e. d. sonst. Bestandt. Warnhinw. u. Vorsichtsmaßn.: Theoret. Risiko e. Tumorzellenmobilisierung b. Pat. m. Lymphom u. multiplem Myelom (klin. Relevanz nicht vollst. geklärt). Nicht f. d. Mobilisierung v. hämatopoet. Stammzellen b. Leukämie-Pat. anw. Während d. Anw. Leukozyten u. Thrombozytenzahlen überw. (Hyperleukozytose bzw. Thrombozytopenie mögl.). Allerg. Reakt. b. anaphylakt. Schock sowie vasovagale Reakt., orthostatische Hypotonie und/oder Synkope wurden beobachtet, entspr. Vorsichtsmaßn. empfohlen. Wegen einer mögl. Milzruptur bei Oberbauchschm. Integrität der Milz unters. Schwangersch. u. Stillzeit: Strenge Indikationsst. b. Schwangeren. Während d. Beh. sollte nicht gestillt werden. Wechselw: Nicht m. anderen AM mischen. Nebenw.: Immunsyst.: Gelegentl. allerg. Reakt., anaphylakt. Reakt. inkl. anaphylakt. Schock. Psyche: Häufig Schlaflosigkeit. Gelegentlich abnorme Träume, Albträume. Nerven: Häufig Benommenheit, Kopfschm. GIT: Sehr häufig Durchfall, Übelkeit. Häufig Erbrechen, Bauchschm., Magenbeschw., Dyspepsie, Bauchblähung, Obstipation, Flatulenz, orale Hypoästhesie, Mundtrockenheit. Haut u. Unterhautzellgew.: Häufig Hyperhidrose, Erythem. Skelettmskl., Bindegew., Knochen: Häufig Arthralgie, Msklschmerzen. Allg. Erkr. u. Beschw.: Sehr häufig Reakt. am Inj.-/Inf.-ort. Häufig Müdigkeit, Unwohlsein. In klin. Studien trat bei Pat. mit entspr. Risikofakt. gelegentl. Herzinfarkt, bei Onkologiepat. u. gesunden Pat. vasovagale Reakt. auf; selten schwere Auswirkungen auf den GIT; häufig Parästhesien b. mehrf. Vorbehandelten. Verschreibungspflichtig. Pharmazeutischer Unternehmer: Genzyme Europe B.V., Gooimeer 10, 1411 DD Naarden, Niederlande. Örtlicher Vertreter des Zulassungsinhabers: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, 65926 Frankfurt am Main. Stand: März 2015 (SADE.PLE.16.04.0977)
Letzte Aktualisierung: 29.09.2017